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Udo Jürgens‘ Bandleader Pepe Lienhard im Interview

Bandleader und Saxophonist Pepe Lienhard begleitete Udo Jürgens 37 Jahre lang mit seinem Orchester auf Tournee. Ob er bei seinen Konzerten einen Phantomschmerz verspürt, welche Tipps der Musiker für die Corona-Zeit hat und warum ihn das Musical „Ich war noch niemals in New York“ so glücklich macht, verriet er Simone Wendel für das Applause Magazin im Gespräch. Foto: © Sony Music

Ich war noch niemals in New York Tickets

Udo Jürgens bleibt unvergessen. Im Herbst kehrt das Musical ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK mit den großen Hits des Entertainers zurück auf die Bühnen in Berlin (Theater des Westens) und später im Dezember in Düsseldorf (Capitol Theater).

ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK entwickelt rund um die Kompositionen von Udo Jürgens eine charmante Drei-Generationen-Geschichte. 2007 kam es in Hamburg zur Uraufführung. Seither begeisterte die Show Millionen Fans von Berlin über Tokio bis Wien.

Ein Geheimnis des großen Erfolges von ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK ist der typische Pepe Lienhard Sound, den die Fans von den Konzerten mit Udo Jürgens kennen. Udo Jürgens und Bandleader Pepe Lienhard spielten zusammen Hunderte von Konzerten. Auch privat waren die beiden enge Freunde. Mit Pepe Lienhard sprachen wir über seinen Alltag in Corona-Zeiten, die Songs von Udo Jürgens und seine Zusammenarbeit mit Musiklegenden wie Frank Sinatra und Quincy Jones.

Können Sie kurz beschreiben, wie ein Tag bei Ihnen gerade so aussieht?

Kurz nach dem Aufstehen mache ich verschiedene Turn- und Kraftübungen, zirka 20 Minuten. Nach der Dusche gibt es ein ausgiebiges Frühstück. Wir haben 10 Hühner und somit stets frische Eier. Danach füllt sich der Tag mit Arbeiten ums Haus und im Notenarchiv. Am Nachmittag fahren meine Frau und ich mit dem Hund in den Wald und machen einen Spaziergang. Sie arbeitet viel für ihre Stiftung Lebensfreude und es tut ihr gut auch frische Luft zu schnappen. Abends genießen wir ein feines Essen. Eher einfach aber frisch und saisonal, dazu hin und wieder ein Glas Wein. Wir spielen viel Karten und Yatze.

Pepe Lienhard zuhause

Frühlingsspaziergang in der Schweiz: Pepe Lienhard mit seinem Hund Garou (Foto: privat)

Was ist Ihr Kulturtipp (Buch, Film oder Serie) für die Quarantäne?

Musikvideos. Nicht Clips. Ich habe sehr viele Filmaufnahmen von Konzerten von diversen Big Bands und bekannten Sängern. Gerade heute habe ich ein Konzert von Frank Sinatra geschaut. Fantastisch!

Wie verändern sich Ihre Pläne durch die Krise?

Bis Ende Juni sind meine Auftritte mit dem Orchester und auch als Referent abgesagt und natürlich weiß niemand wie lange es noch dauert, bis Konzerte wieder möglich sind.
Trotzdem habe ich viele Projekte, darunter die Tournee im nächsten Jahr. Ich werde dann 75 und starte im Mai eine Tour. Da arbeite ich jetzt schon mit Freude dran.

Welche Musik hilft Ihnen gegen den Wohnungs-/Hauskoller?

Jazz und Swing ist meine Welt.

Was ist das erste, das Sie tun werden, wenn dieser Irrsinn vorbei ist und wir wieder rausdürfen?

Ein Gartenfest mit unseren Familien.


Zur Person

Mit 11 Jahren bekam Pepe Lienhard von seiner Mutter ein Saxophon geschenkt, mit 12 gründete er seine erste Band The College Stompers und mit 17 gewann er beim renommierten Zürcher Jazz Festival den ersten Preis in der Kategorie Big Band. Das Jura- Studium brach Pepe Lienhard nach vier Semestern ab und stieg 1969 lieber ins Profigeschäft ein.

Im Mai 1977 gewann das Pepe Lienhard Sextett die Schweizer Vorausscheidung des „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ mit dem Titel „Swiss Lady“. Lienhard trat mit Weltstars wie Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Donna Summer, Shirley Bassey, Paul Anka, Whitney Houston und Quincy Jones auf. 37 Jahre lang begleitete der gebürtige Aargauer mit seinem Orchester die Tourneen von Udo Jürgens.

Seit 2016 tourt die Pepe Lienhard Big Band alleine erfolgreich durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Pepe Lienhard lebt mit seiner Frau Christine, seinem Schäferhund Garou und einem guten Dutzend Hühnern in Frauenfeld.


1980 gründeten Sie das Pepe Lienhard Orchester und begleiteten Udo Jürgens 37 Jahre lang. Verspüren Sie, wenn Sie heute – ohne ihn – auf der Bühne stehen, eine Art „Phantomschmerz“?

Nein, es ist jetzt ja auch schon fünf Jahre her. Aber am Anfang waren wir geschockt, weil Udo wirklich fit war. Ich war am Abend vor seinem Tod mit ihm zusammen essen, alles war locker, wir machten Pläne für die Zukunft. Man war nicht vorbereitet. Ich meine, Udo war doch auch schon 80 Jahre alt, hat ein intensives Leben gehabt, aber auf der Tour, die wir vorher gespielt haben, war er super drauf. Man hätte nie erwartet, dass er stirbt.

Das konnte ich anfangs nicht richtig akzeptieren, aber jetzt, nach fünf Jahren, ist es einfach eine Realität. Und das Leben geht weiter. Das ist halt einfach so. Aber im ersten Moment konnte ich keine Udo Show im Fernsehen gucken, ich konnte keine Udo-Songs hören die ersten Monate. Das war einfach zu präsent. Das war so unglaublich, dass er plötzlich nicht mehr da sein soll. Aber jeden Tag reden wir von Udo, nach wie vor. Er ist so präsent, wir spielen seine Musik und wir werden so oft angesprochen auf ihn. 37 Jahre ist schon eine lange Zeit, wo man so viel gemeinsam erlebt hat. Das brennt sich natürlich ein. Das ist ganz klar.

Udo Jürgens Musiker Pepe Lienhard

Sie konzertieren auch mit eigenen Konzertprogrammen. Es gehört aber auch bei jedem Konzert dazu, dass Sie eine Hommage an Udo Jürgens spielen…

Auf jeden Fall. Früher haben wir das ja nie gemacht. So lange Udo gelebt hat, habe ich – trotz sehr häufigem Wunsch – nie Udos Lieder gespielt, ich hab immer gesagt: Ich bin mit dem Original unterwegs, und wir machen keine Kopie von ihm. Jetzt, wo er nicht mehr lebt, ist es natürlich selbstverständlich, das wir auch musikalisch bei jeder Tournee an ihn zurückdenken. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit und das machen wir sehr gerne.

ABBA arbeiten zur Zeit an einer Hologramm-Tour. Wenn man Sie fragen würde: „Pepe, wir haben da eine Idee, wir machen es wie ABBA und gehen auf Hologramm-Tournee, performt von Udos digitalen Avatar und live begleitet vom Pepe Lienhard Orchester.” Wären Sie dabei?

Ja, wär’ ich. Technisch wäre es auch möglich. Udos letztes Konzert in Zürich wurde mit sieben Kameras aufgenommen, wovon drei Kameras nur Udo im Bild haben. Also, man hätte die Möglichkeit mit einer großen LED-Wand, mit der Originalband. Man könnte live dazu spielen, mit einem Click Track, und Udo vorne auf der großen Leinwand. Technisch ist das möglich, das Material ist da, das ganze Konzert ist vorhanden, die ganzen Arrangements sind da, die Udo-Spuren. Man könnte dieses Konzert definitiv als Hologramm spielen. Aber im Moment ist das kein Thema.

Sie haben mit vielen anderen Weltstars zusammengespielt. Mit Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Shirley Bassey, mit Diana Ross und den Supremes…

Die meisten leben halt leider nicht mehr von den ganz Großen. In den Achtziger Jahren waren wir Hausorchester in Monte Carlo im Sporting Club und haben zwei Sommersaisons gespielt. Damals waren wir noch relativ jung. Das war schon für uns ein großes Glück und eine Chance. Da kamen die ganz großen Superstars alle vorbei und wir hatten wirklich das Glück mit allen zu spielen. Es sind wunderschöne Erinnerungen, wunderschöne Erfahrungen.


Auch abseits der großen Stars feierte Pepe Lienhard große Erfolge, vor allem in der Schweiz. Mit dem Song „Swiss Lady“ stürmte die Pepe Lienhard Band 1977 auf Platz 1 der schweizerischen Charts. Im letzten Jahr standen die Musiker nach rund 15 Jahren erstmals gemeinsam wieder auf der Bühne, um für den TV Sender SRF ihren Mega-Hit live zu spielen:

Als Bandleader stehen Sie in der zweiten Reihe. Das klingt für mich nach einer traumhaften Position, fast ganz vorne knapp neben dem Star auf der Bühne zu stehen, Chef eines großen Klangkörpers zu sein und trotzdem bleibt einem vieles erspart: die riesige Aufmerksamkeit, nervige Promo-Tage, Bitten um Selfies, wenn Sie gerade selber privat beim Abendessen sitzen…

Das ist so! Ich hab das immer genossen. Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. In der Schweiz sind wir sehr bekannt als Band, in der Schweiz haben wir die Hallen voll als Pepe Lienhard Band. Ich wurde von vielen Journalisten immer wieder gefragt: „Ist das für Sie nicht schwierig, im zweiten Glied zu stehen?“. Ich konnte immer mit Überzeugung sagen: Auf keinen Fall!

Dass wir mit Udo unterwegs waren all die Jahre – und er wirklich der Größte war im deutschen Showbusiness – war ein Glücksfall. Dank Udo, das muss man einfach klar sehen, hatte ich überhaupt die Möglichkeit, so viele Jahre mit dieser tollen großen Band zu arbeiten. Das wär sonst gar nicht mehr möglich gewesen. Da bin ich Udo sehr dankbar dafür, dass er das möglich gemacht hat. Udo wollte immer die große Band, er hat mich immer entscheiden lassen, wie groß die Band wird. Er hat mich ja auch auf der Bühne vorgestellt und sehr respektvoll behandelt.

Ich hatte nie das Gefühl, ich bin da jetzt im zweiten Glied. Udo war der Star, das war keine Diskussion. Aber er hat uns so viel Raum gelassen und so viel Ruhm. Das war eine perfekte Konstellation.

Mit neun hatten Sie Ihre erste Kinderband, mit elf bekamen Sie von Ihrer Mutter ein Saxofon, mit zwölf gründeten Sie eine Dixieband. Mit siebzehn hatten Sie Ihre erste ei- gene Big Band. Angefangen haben Sie aber mit sieben Jahren an der Blockflöte. Und Sie sollen es geliebt haben. Dabei gilt die Blockflöte vielen Kindern (und Eltern!) als wahres Folterinstrument.

Für mich war das nicht so. In der Schweiz haben wir einen despektierlichen Ausdruck für die Blockflöte, bei uns heißt das Speuzchnebel, also Spuckeknebel… eben für die, die es nicht lieben. Ich war da nicht so. Ich bin gerne in die Flötenstunde gegangen, ich hab‘ gerne geübt. Aber die meisten meiner Schulkollegen, mit sieben oder acht, die haben es gehasst, die haben lieber Fußball gespielt. Ich habe auf der Flöte aber auch gleich Schlager nachgespielt, die damals Mode waren, Peter Kraus. Ich war nicht auf der Klassikschiene. Das ging sehr schnell los mit der Unterhaltungsmusik bei mir.

Als Schlüsselerlebnis für Ihre Karriere beschreiben Sie einen Auftritt von Quincy Jones, den Sie mit 15 zum ersten Mal live erlebt haben.

Als ich Quincy das erste Mal gesehen habe ist meine Liebe zur Big Band erwacht, da habe ich gedacht, so eine Band möchte ich mal haben. Das wir unterdessen schon dreimal mit Quincy Jones gespielt haben, ist für mich wie die Erfüllung eines Jugendtraums. Das ich ihn persönlich kennen darf, mit ihm Konzerte gegeben habe, das war schon ein großes Glück und eine große Befriedigung für mich.

Udo Jürgens Musical Düsseldorf Berlin 2020

Im Theater des Westens feiert „Ich war noch niemals in New York“ sein Musical-Comeback, ehe es im Dezember in Düsseldorf weitergeht (Foto: © Stage Entertainment)

Ein Geheimnis des großen Musical-Erfolges „Ich war noch niemals in New York“ ist der typische Pepe Lienhard Sound, den die Fans von den Konzerten mit Udo Jürgens kennen…

Das Vorbild war unsere Band. Michael Reed, der das Musical Score geschrieben hat, hat unsere Band studiert, unsere Aufnahmen studiert und hat entsprechend auch die Instrumentation gemacht, so dass es nach unserer Band klingt.

Welches Lied rührt Sie besonders im Musical?

Im Musical für mich war eine Neuentdeckung „Immer wieder geht die Sonne auf“. Interessanterweise eines der ältesten Lieder von Udo. Der hat das die ganze Zeit, wo ich mit ihm unterwegs war, nie ausgespielt. Er hat das natürlich all die Jahre – weil er quasi musste – kurz in einem Medley als Refrain gesungen.

Im Musical hat Michael Reed das als Duett neu arrangiert und das fand ich schon sehr berührend. Diese Nummer hat eine ganz neue Kraft gekriegt als Duett. Auf der letzten Tour haben wir das auch als Duett gebracht, Udo mit einer Frau zusammen. Das hat mich wahnsinnig berührt. Ich hab diesen uralten Song wie neu für mich entdeckt.

„Was wichtig ist“ war sowieso eines meiner Lieblingslieder von Udo. „Wie könnt ich von dir gehen“ hab ich eigentlich auch erst im Musical entdeckt, den Song haben wir nie gespielt auf der Tour. Aber Udo hat so viele Lieder geschrieben! Ich kenne sehr viele sehr gut und hab sie tausend mal gespielt, aber es gibt doch auch viele, die ich erst im Musical das erste Mal gehört habe.

Auch fünf Jahre nach dem Tod von Udo Jürgens kann ich seine Songs nicht hören, ohne traurig zu werden. Das Musical „Ich war noch niemals in New York“ ist andererseits ein wunderbares „Trostpflaster“ für die Fans von Udo Jürgens. Was soll ich also tun: mir das Musical ansehen oder lieber nicht?

Ich würde es angucken, trotzdem! Keine Sorge, keiner im Musical imitiert Udo. Das Musical ist eine völlig andere Geschichte, die nichts mit Udo zu tun hat, die Songs passen da einfach rein, das ist sehr geschickt gemacht. Das Musical gefällt mir sehr gut. Ich war bei der Premiere in Hamburg dabei, ich habe es x-mal gesehen und es ist ein super Musical. Udo hat so viele tolle Songs hinterlassen, ich freue mich, dass das weiterlebt.


Ich war noch niemals in New York – Das Musical